Allmähliches Geschlechtsbewusstsein bei Kindern

Toddler sitting outside playing with rocks and toy trucks

Im Alter von 26 bis 33 Monaten versuchen Kinder, ihre Welt mithilfe von Kategorien zu verstehen. Dazu gehört auch das Geschlecht. Viele Kinder fangen in diesem Alter an, sich als Junge oder Mädchen zu identifizieren und das Geschlecht sowie die Geschlechtsmerkmale verstärkt wahrzunehmen. Es kann vorkommen, dass sie zwischen Junge und Mädchen wechseln, wenn sie sich selbst beschreiben. Und manchmal lehnen sie diese Bezeichnungen auch gänzlich ab.

Forscher, die sich mit diesem Thema beschäftigen, konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Spiel eines Zweijährigen und seiner Geschlechtsidentität beim Heranwachsen feststellen. Das Spiel zweijähriger Kinder wird nicht auf diese Weise bestimmt. Mit drei Jahren könnte dein Kind konsequenter darin werden, wie es sich selbst bezeichnet. Wundere dich in der Zwischenzeit aber nicht, wenn du diesbezüglich einige Experimente erlebst.

Mit diesen Methoden kannst du die Entwicklung der Geschlechtsidentität bei deinem Kind unterstützen:

Gib deinem Kind Freiräume

Young child wearing a colorful dress

„Jungs-Farben“ und „Mädchenkleidung“ sind Konzepte, die es schon eine ganze Weile gibt. Doch eigentlich sind diese Unterscheidungen willkürlich gewählt, denn vor noch nicht allzu langer Zeit trugen junge Kinder jeden Geschlechts Kleidchen. Blau war „zart und anmutig“ genug für Mädchen, während Rosa für Jungen als „entschlossener und stärker“ galt.

Wahrscheinlich interessiert sich dein Kind für eine große Bandbreite an Farben, Spielsachen, Kleidung und Spielen, ganz unabhängig von seinem oder ihrem Geschlecht. Vielleicht möchte dein Sohn mal ein Kleid anziehen und deine Tochter kurze Haare. Überlege dir, ob du sie manche Dinge nicht einfach ausprobieren lässt. Kinder versuchen zu verstehen, wie die Welt funktioniert und was ihre Rolle darin ist.

Wenn dein zweijähriger Sohn zum Beispiel die „Mama“ in einem Rollenspiel sein möchte, hat das nichts über seine Zukunft zu sagen. Lise Eliot ist Professorin für Neurowissenschaften und Autorin des Buches „Wie verschieden sind sie?: Die Gehirnentwicklung bei Mädchen und Jungen“.Die Spielsachen, die ein Kind mag, die Rollen, die es in Fantasiespielen einnimmt und die Kleidung, die es tragen will, entsprechen laut Eliot lediglich zeitweisen Vorlieben: „Nichts davon ist eine Prophezeiung für irgendetwas. Und am wichtigsten ist es doch, dass Kinder eine Kindheit haben, in der sie ‘sein können, wie sie sind’“.

Ermutige deine Tochter, mehr Risiken einzugehen

Erwachsene haben die Neigung, Jungen dazu zu ermutigen, mehr Risiken einzugehen als Mädchen. „Studien auf Spielplätzen haben gezeigt, dass Eltern ihre Töchter schneller zur Vorsicht ermahnen als ihre Söhne, wenn sie zu hoch ins Klettergerüst klettern“, sagt Eliot. „Sie spornen ihre Söhne häufiger als ihre Töchter dazu an, draußen zu spielen und sie nehmen ihre Söhne häufiger als ihre Töchter mit in den Park.“

Gefährliche Spielumgebungen können Erwachsenen Unbehagen bereiten. Sie sind jedoch sehr förderlich für die kognitive, emotionale und motorische Entwicklung. So zeigen sie Kindern ihre körperlichen Grenzen auf, zum Beispiel wie schnell sie rennen oder wie hoch sie bequem klettern können. Außerdem lehren sie einem Kind Belastbarkeit: Was geschieht, wenn ich mir weh tue und wie verarbeite ich das? Wir Erwachsenen untergraben diesen Lerneffekt manchmal unbewusst, wenn wir Mädchen nach einer Verletzung dazu auffordern, vorsichtiger zu sein, während wir zu Jungen sagen „Ist doch nichts passiert, ist nicht so schlimm.“

Nicht die Anlagen, sondern die Kultur sorgen für die sprachliche Kluft zwischen Jungen und Mädchen

Abgesehen von einer kleinen Abweichung in der physischen Größe unterscheidet sich das Gehirn eines kleinen Jungens in keiner Weise von dem eines kleinen Mädchens. Kinderärzte und Kinderärztinnen benutzen für beide die gleiche Entwicklungstabelle, weil die geringen Unterschiede in ihrer Entwicklung statistisch gesehen nicht relevant genug für eine Standardisierung sind.

Kleine Unterschiede in der Veranlagung können in Kombination mit größeren Unterschieden in der Erziehung jedoch zu „einer problematischen Kluft“ führen, wie Eliot es nennt. Diese Kluft ist das Ergebnis mehrerer Faktoren: der Weise, wie Erwachsene mit Kindern reden, der Botschaft, die Kinder aus ihrem größeren Umfeld erhalten und der Interaktionen mit Gleichaltrigen.

Mädchen lernen zum Beispiel häufig etwas früher Sprechen als Jungen. Dieser Unterschied kann sich, obwohl er anfangs nur gering ist, zunehmend ausweiten. Von einer scheinbaren Verzögerung der sprachlichen Entwicklung zu einer größeren Problematik im späteren Leben. Studien haben gezeigt, dass Eltern dazu tendieren, im Umgang mit ihren Töchtern mehr Sprache einzusetzen als mit ihren Söhnen – mehr Wörter, mehr Bücher, mehr sprachliche Antworten. Dies ist eine Erklärung dafür, dass Mädchen in sprachbezogenen Fächern, besonders im Lesen und Schreiben, oft besser sind als Jungen. Und das, obwohl es dafür keinen natürlichen Grund gibt.

Die traditionelle Überzeugung, dass Jungen im Sprechen, Lesen und Schreiben langsamer und weniger geschickt als Mädchen sind, vermittelt den Eltern von Jungen eine problematische Botschaft: Dass sie sich im Fall einer Sprachverzögerung keine Sorgen machen müssen, weil diese unausweichlich ist. In Wirklichkeit, sagt Eliot, „sollten Sie das Gegenteil tun: sich ganz auf die Förderung der sprachlichen Entwicklung ihres Sohnes – oder ihrer Tochter – konzentrieren.“

This post is also available in: Nederlands English

Autor

Team Lovevery Avatar

Team Lovevery

Visit site

Veröffentlicht in 34 - 36 Monate, Geschlecht, Identität, Sozial-emotional, Kindesentwicklung

Weiter lesen